Monatsarchiv: Januar 2023

Wird man einfach müde?

Erst kürzlich dachte ich mir:

In meiner Teenager Zeit, da ging ich aus: auf Punkkonzerte, in Discotheken und tanzte die ganze Nacht – ohne Alkohol natürlich, weil ich ging ja aus zum Tanzen; um elf erst wurde ich abgeholt aber dann gings bis 6 in der früh – wobei, zugegeben, ich damals bereits Donnerstags und Freitags ausging, da Samstag einfach zu viel los und es nur anstrengend war, da kein durchkommen und kein Platz, besonders nicht auf der Tanzfläche. Auch die Podeste, wo man sonst einfach Platz hatte, waren mit drei-vier Leuten gleichzeitig belegt.

Während der Uni zog sich das fort: Uni- und private Festln sowie mit Menschen vollgestopfte Vorlesungen waren zwar teilweise anstrengend, aber noch nicht so schlimm, dass man sich eine Woche danach erholen musste. Man war zwar froh draußen zu sein, aber die Neugierde und die Beobachtungslust waren größer: Oh, wer ist das? Wer ist sie? Es ist alles so spannend und neu! Wobei ich schon immer gut alleine zurecht kam. Beispielsweise die drei Wochen im Sommer, als ich nur spazieren ging, malte, etwas musizierte, Serien schaute und einfach mit niemanden etwas zu tun hatte.. waren durchaus großartig.

Aber: ich ging aus. Ich traf mich mit unterschiedlichen Menschen, schlief nach Parties auf verschiedenen Couches, übernachtete während der #unibrennt-Besetzung auch teilweise im Hörsaal und das alles machte Spass. Die Energie war da.

Aber.. was ist passiert?

Aber, ich weiß nicht wann genau der Umschwung einsetzte – aber irgendwann wurde alles anstrengender. Menschen wurden extrem anstrengend, alleine der Einkauf im Einkaufszentrum war anstrengend, Vorlesungen wurden anstrengender, menschliche Geräusche wurden noch anstrengender als sie eh schon waren (google Misophonie, thank me later), und nach und nach fühlte ich mich durchaus wohler, wenn ich alleine war, oder nur unter wenigen Menschen, es nicht laut war und stattdessen ruhig und friedlich. Jeder Kontakt mit Menschen fing an, Energie abzuzapfen. Jedes Gespräch, jedes Treffen, jede Party, es kostete mehr Energie als wie es einst zurück gab. Zu zweit war es immer am tollsten. Zu zweit konnte ich Wochen mit der gleichen Person verbringen, aber sobald eine Dritte dazu kam, war es zu viel.

Wenn ich in meinen Zwanzigern in der Stadt wohnen wollte, bin ich jetzt froh, wenn ich wieder hinaus aufs Land komme. Und am liebsten wäre mir eine Hütte im Wald, weit weit weg von der Zivilisation. Die Vorstellung, meine Alterstage bei einer unglücklichen Konstellation im Altersheim in einem Mehrbettzimmer verbringen zu müssen, bereitet mir durchaus Angst.

Ist es das Alter?

Wird man einfach alt? Ist das bei allen Menschen so? Oder wird man der Gesellschaft anderer einfach nur müde und beginnt, sich selbst besser zu ertragen, sodass Ablenkung durch Alkohol, Parties und Menschen nicht mehr der Tagesordnung, sondern den Ausnahmen angehören? Oder hat man einfach weniger lustig auf Smalltalk und auch dieses „wenn ich heute Abend nicht ausgehe, verpasse ich was!“ Ja was verpasse ich denn, betrunkene Idioten, die mich als Bitch bezeichnen, wenn ich nicht mit ihnen reden will? Natürlich kann es sein, dass ich beim Karaoke nette Abende mit wenigen Leuten aber umsomehr Bekannten „verpasse“, aber auch diese Bekannten sind mittlerweile alt geworden und nicht mehr jeden Freitag Abend unter den fitten und Fidelen. Und wie hoch ist die Chance, dass alle zur gleichen Zeit und alle anderen, also die Fremden, nicht da sind? Eben.

Wird man einfach müde?

Als ich zwölf war dachte ich mir, dass ich klüger sei als alle anderen, denn die Erwachsenen waren grau und müde und einfallslos und wenn jemand in seinen 30ern noch cool und jung war, dann war der cool und jung und nicht so starr und müde und konservativ und Ideenlos und grau und müde wie es eben die Erwachsenen waren, die keinen Spass verstanden und Jugendliche wie Kinder behandelt haben. Don’t do that.

Wird man einfach müde, nach Jahrzehnten des Lebens, der Arbeit und der Gesellschaft? Wird man da einfach anderer überdrüssig und zwar soweit, dass man sich guten Gewissens sagen kann: Ja, für immer. Woran liegt es, dass man sich der Gesellschaft anderer scheut und gerne für mich alleine, mit einer guten Serie oder einem guten Buch oder einfach nur auf Twitter, oder, mittlerweile wieder im IRC ist?

Sind es die Menschen?

Werden die Menschen an sich einfach mühsamer und anstrengender? Oder ist lediglich der letzte Brocken jugendlicher Illusion und Neugier bezüglich anderer Menschen abgefallen und man weiß einfach, aus Erfahrung – die anderen Menschen sind nicht so spannend, wie wir gerne hätten, dass sie spannend sind. Wenns dumm läuft, darf man Therapeut spielen. Und im schlimmsten Falle platzieren wir unsere eigenen Wünsche, dass was uns selbst an uns fehlt und gewisse Erwartungshaltungen in diese, anstatt exakt jene von uns selbst zu fordern.

Ist es das? Ist es das, dass uns klar geworden ist, dass andere Menschen einfach andere Menschen sind und wir selbst eigentlich nur für uns selbst am spannendsten sein können, weil, wir könnens uns richten wie wir wollen. Möchte ich die tolle abenteuerliche Frau sein die Nachts wandern geht – dann mache ich das einfach, dazu brauche ich keine anderen Menschen.

Ist es das? Dass andere Menschen einfach langweilig geworden sind, weil wir unsere Illusionen derer bezüglich abgelegt haben? Ging es denn je um andere Menschen und nicht darum, dass wir uns durch diese besser fühlten und erst jetzt bemerken, dass es eigentlich recht einfach ist: denn, wenn wir für uns selbst verantwortlich sind und niemand anderer, dann sind wir einfach viel unabhängiger von anderen Menschen; und das führt dann dazu, dass…

eben.

Aber sind dann die Freundschaften, die wir im Alter pflegen nicht toller als die, die wir bisher hatten, da wir eigentlich nichts mehr von dieser Person brauchen, und lediglich um derenwillen, um deren Charakter Willen, mit dieser befreundet sind?

Ist es die Welt? War früher wirklich alles besser?

Als ich jung war, hätte man sich eine Wohnung oder gar ein Haus mit fleißiger Arbeit noch leisten können. Na gut, vielleicht kein Grundstück mit Haus, aber eine Wohnung wäre vielleicht drinnen gewesen. Mittlerweile braucht man 20% Eigenkapital und der Erwerb einer Immobilie funktioniert auch nur dann, wenn man bereits irgendwo Eigentum besitzt und/oder eben reiche Eltern im Rücken hat, die hier und da mitfinanzieren.

Also war früher alles besser und wird man müde, weil die Welt zunehmend anstrengender wird?

Jede Generation wird dir sagen, früher war es „einfacher“, je nach dem wie sie „einfacher“ definieren, und jede Generation wird sagen „Na, in meiner Kindheit war alles besser, wir mussten noch (…), wir haben noch (…)“, okay, ausser die Boomer (ca. 1946-1964) vielleicht, die drei Kilometer barfuß im Winter über den Berg zur Schule gehen mussten und dort verprügelt wurden, wenn sie das Alphabet falsch aufgesagt hatten. Aber die hatten es immerhin noch besser als deren Großeltern, die bereits mit 8 Jahren 12 Stunden arbeiten mussten…

Wir Millennials (ca. 1980-1994) sind wie Gen X (ca. 1965-1979) analog aufgewachsen, mit dem Fernseher als Nanny und den umliegenden Dörfern als Schauplatz kindlicher Abenteuer, machten uns aber in unserer Teenager Zeit bereits mit den digitalen Medien vertraut aka Internet aka IRC & ICQ und Geocities und Napster und…

Und ich würde behaupten, wir hatten die beste Kindheit. Wobei, Gen X hatte vermutlich auch noch eine tolle Kindheit hatte, frei von Sorgen, in der Jugend haben sie den Punk gegründet, die 80s gelebt – wobei es mich wundert, dass diese überhaupt noch gesund sind und leben, weil… deren Eltern während der Schwangerschaft gesoffen, geraucht und in Asbest Wohnungen gehaust haben.

Während Gen X die wahren Revoluzzer waren, fragen wir uns ständig nur: „Warum?“

Wie dieser Beitrag hier: Er frägt nach dem Warum?

Zusammenfassung

Ist es das Alter, dass man leichter ermüdet? Die Mär von „mit zwanzig konnte ich jeden Tag saufen und hatte keinen Kater, mit 45 muss ich mir nach einem Abend eine Woche Urlaub nehmen“ kommt ja nicht von ungefähr. Der Körper lässt ja tatsächlich nach. Der Geist lässt tatsächlich nach. Und die Welt wird immer… interessanter. Stichwort: Klimawandel. Stichwort: Cancel Culture (ich bin da sowieso schon lange nicht mehr auf dem neuesten Stand). Stichwort: Krieg und Atomwaffen. Stichwort: Automation und AI. Stichwort: Wir werden keine Pension mehr bekommen, weil es sich finanziell nicht mehr spielen wird und wenn, wird die Pension nicht mehr ausreichen als für ein paar Brote im Monat, weil alles teurer wird, aber die Löhne und Pensionen nicht ordentlich angeglichen werden und wir gezwungen werden bis 78 zu arbeiten, aber wer bitte stellt denn 78jährige ein, wenn man ab Ende 30 bereits als Unvermittelbar gilt?

idk about you, aber…

Aber versteht mich nicht falsch: ich finde diese Entwicklung nicht schlecht. Es wundert mich nur.

Und ich sehe die Zukunft: Ein Haus im Wald, betrieben mit Solarstrom, zig Viecher drum herum, einen kleinen Garten und mindestens 20 Katzen. Keine Menschen weit und breit, ausser die junge Postbotin, die mir ab und an Schokolade bringt. Oder das diktatorisch geführte Altenheim mit lediglich Sechsbett-Zimmern, einem massiven Pflegemangel, sodass man dir einmal in der Woche die Zähne putzt und dir alle zwei Tage die Windelt wechselt, weil… sonst keiner da ist. Was wird es werden? Utopie oder Dystopie?

Vielleicht lässt sich die Frage sonst irgendwann einmal beantworten, aber heute… eher nicht mehr.

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