Die Diskussion wer sich wann „Autor“ oder „Schriftsteller“ nennen darf, ist so alt wie das Genre der Selfpublisher selbst. Ab wie vielen verkauften Exemplaren bin ich Autor? Bin ich Autor wenn ich Bücher schreibe, aber nichts verkaufe? Und bin ich Autor wenn ich nur für mich schreibe und Posthum Freunde meine Notizen veröffentlichen? Bin ich Autor, wenn ich in einer kleinen Dachwohnung meine Geschichten auf zerknittertem Papier festhalte und das lose Leben eines Bohemiens lebe?
Unzählige Literatur- und Autorenblogs stellten sich bereits diese Frage, aber beantworten kann sie keiner so genau.
Michel Foucault, französischer Philosoph und Schriftsteller, hat dazu eigene Ansichten und schrieb in seinem 1969 veröffentlichten Büchlein „Was ist ein Autor?“ folgendes:
Der Autor sei nicht mehr nur physisch konkret präsent, sondern eine bloße Funktion des Diskurses. Pierre Bourdieu klingt sich ein und sagt, dass die Autorenschaft zwischen den Feldern der Kommunikation (Rezeption) und des gesamten Diskurses (dem darüber reden) organisiert wird. Ausnahmen gibt es immer: Diese Funktion wird natürlich nicht erfüllt, wenn es sich um Bürokratie oder amtliche Akte handelt.
Gibt es den Autor überhaupt noch?
Der Tod des Autors
Foucault stellt nicht die Autorenschaft in Frage, sondern zeigt sie in ihrer Wirkung auf. Er verabschiedet sich von der Auffassung der „individuellen Persönlichkeit“ und lässt das „Universalgenie“ hinter sich. Er bricht den Autor als bloße Funktion der Namensverwendung hinab und definiert ihn als „Kommunikations-regulierendes Element“.
So sei der Dichter Homer historisch kaum zu fassen: War es ein einzelner Mann? Oder ein Kollektiv. Ähnlich sieht es auch Bourdieu und spricht davon, dass der Name wirkt, welcher ein Werk autorisiert beziehungsweise zu einem Werk macht. Nach Bourdieu ist der Autor ebenfalls nur ein Konstrukt. Und Roland Bartes geht soweit und sagt, dass der Autor an sich stirbt und der Leser geboren wird. Der Autor wird unwichtig.
Der Wert eines Werkes resultiert nicht aus seiner Einzigartigkeit, sondern aus der Seltenheit des Produzenten. Es käme darauf an, sich einen Namen zu machen und bestimmte Wertschätzungen zugewiesen zu bekommen. JK Rowling mag sich bei Kinder- und Jugendliteratur als Unschlagbar erweisen, den Kriminalroman nehmen ihr die Kritiker trotzdem nicht ab.
Wie kommt der Autor zum Name?
Eine breite Leserschaft, Medien, Influencer, Werbung, Politik, Skandale. Alles was man sich nur vorstellen kann, was zu Gerede führt. Besonders aber Institutionen, die Macht besitzen (wie große Verlage und Zeitungen) und die zu neuen, quasi, Machtverhältnissen beitragen können, und festlegen welcher Autor als Bestseller-Autor gilt. Der Autor kann noch so spannend schreiben oder eine interessante Idee haben, den Zeitgeist treffen oder umwerfend sein; der Verlag ist es schlussendlich, der diesem einen Platz zuweist. Siehe erneut JK Rowling welche von 19 Verlagen abgewiesen wurde. Mit Aufkommen der Selfpublisher vor allem auch via Amazon gelingt es einigen Wenigen zu Ruhm zu gelangen, diese aber bleiben nach wie vor die Ausnahme; und da beginnt ein neuer Diskurs, welcher die Wichtigkeit von Verlagen (trotz Marketing, Werbung, gewisse Vorgaben und dergleichen) in Frage stellen; auch wenn ein „in einem richtigen Verlag“ publiziertes Buch immer noch mehr Wert besitzt, als derjenige, der seine Kurzgeschichte via Amazon raus schmeißt.
Trotzdem bleibt: Der Autor beteiligt sich bei einem Gesellschaftsspiel und stellt dessen Regeln nicht in Frage. Er kann sie gar nicht in Frage stellen, will er nicht auf Ruhm und Reichtum und auch Reichweite verzichten. Er kann mitspielen und den Wünschen seiner Zielgruppe und Lesern gerecht werden, als Selfpublisher oder sich den Vorgaben eines Verlages unterwerfen.
Nachlese
- Pierre Bourdieu: Soziologische Fragen. Frankfurt/Main 1993.
- Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Frankfurt/Main 1999.
- Michel Foucault: Was ist ein Autor? oO. 1969.