Schlagwort-Archive: Wild West

„Godless“, Season 1

„You said people come here to change their lives. I imagined a story where I didn’t have to be the damsel.“ (Dolores, Westworld)

Godless macht, auch dem Genre Unerfahrene, den Anschein eines klassischen Westerns: the good Guy (der tatsächlich Goode heißt, blond und „decent“) ist auf der Suche nach dem bad Guy (älter, mit Bart, stoisch auf dem Pferd sitzend), zähmt Pferde ohne Gewalt und wird zwischendurch in wilde Schießereien verwickelt. Mysteriöse Indianer kreuzen die Wege der Protagonisten und sprechen in Rätsel. Dem Klischee widersetzt sich das in diesem Genre üblichen Frauenbild:

Die Frauen in Godless sind keine Damsels, die gerettet werden müssen oder einen Mann brauchen um sich zu erhalten. Sie sind selbstständig, selbstbewusst, sicher im Umgang mit der Waffe und zögern nicht, diese auch einzusetzen.

Mary Agnes McNue und Alice Fletcher

Als ein Minenunglück den Frauen von La Belle die Männer entreißt, werden sie unabhängig.

Allen voran Mary Agnes McNue (bekannt aus The Walking Dead und Nurse Jackie). Sie trägt Hosen, spricht was sie denkt und kümmert sich um die weniger weiblichen Tätigkeiten; aber auch um den Hilfssheriff (GoT-Darsteller Thomas Brodie-Sangster mit köstlichem Akzent) Whitney Winn. Sie ist zufrieden wie es ist und in einer lesbischen Beziehung mit der Bordell-Besitzerin.

Ein Geschäftsmann, der in Kenntnis darüber gesetzt wird, dass die Mine nach wie vor Silber abwirft, kann die notwendigen Männer zum Schutz der Stadt organisieren, wenn sie ihm die Mine für 20 000 verkaufen. Mary Agnes ist dagegen. Sie beharrt auf Unabhängigkeit und macht deutlich klar, dass es keine Männer braucht. Doch die Frauen, von denen sich manche nach einem Mann sehnen, nehmen das Angebot via Abstimmung an.

Bill: „You’re not maternal no more.“
Maggie: „Maternal?“
Bill: „Well, yeah.“
Maggie: „I love my husband, may he rest in peace, and I love [Bill’s kids] Willie and Trudy, too. But I’m done with the notion that the bliss of me and my sisters is to be found in childbearing and caregiving.“

Alice Fletcher ist die zweite weibliche Hauptrolle, die mit der Mutter (die jagende Indianermama! Spin-Off! Spin-Off!) und dem Sohn (der Angst vor Pferden hat) ihres verstorbenen Mannes gezwungenermaßen auf einer Farm mit vielen Pferden lebt, aber lieber zurück nach Boston gehen möchte. Wie es die Dynamik will, schießt sie Roy Goode an und holt ihn später aus dem Gefängnis, damit er ihre Pferde „bricht“, welche sie dann den Damen in La Belle verkaufen kann, um mit dem Erlös wieder nach Boston zu können. Sie kehrt gegen Ende tatsächlich wieder zurück, entscheidet sich gegen den Mann und verfolgt ihren ursprünglichen Plan. Die Love-Story wird lediglich angedeutet.

Kritik

Für Frauen gibt es in traditionellen Western vier Rollen zu füllen: das Damsel in Distress, die gerettet werden muss; die Hure; das Opfer, das gerächt werden soll und die Mutter. In Godless werden zwar sowohl Huren als auch Mütter präsentiert, aber keine der Frauen braucht gerächt oder gerettet zu werden.

Trotzdem gibt es Kritik und besonders von feministischer Seite – die ich teilweise nachvollziehen kann, sie aber auch für etwas übertrieben halte:

1. Kritik: Trailer vs. Serie

Kritisiert wird, dass Godless mit einem „female-driven“ Plot warb, aber die meisten Dialoge den gehandicapten Männern (einer blind, der andere einarmig) gab und die Story eigentlich nicht viel, mit dem was der Trailer versprach, zu tun hat – davon abgesehen, dass der Trailer ein einziger Spoiler ist.

Aber darüber war sich Showrunner Scott Frank (Logan) im klaren: „People are saying, ‚Won’t that [Trailer] be good for the marketing of it?'“ (…) „And it makes me a little uncomfortable, because I feel like it cheapens what’s happening now …and it also makes you look at this story in slightly different terms.“

In diesem Falle ist das Marketing zu verurteilen aber nicht die Serie selbst.

2. Kritik: Background Stories

Wie auch manche andere, fragte auch ich mich: Warum sich die Rückblenden der Frauen nur auf das Mienenunglück bezieht und nicht über ihre generelle Geschichte, denn vom ersten Moment an bin ich mehr an Alice und Mary Agnes und vor allem der Indianermama und deren Geschichten interessiert, die nur am Rande aufgegriffen werden, um das eine oder andere im Bezug auf die Geschichte selbst klar zu stellen. In diesem Sinne gibt es zwar starke, unabhängige Frauen – die sich in einer Serie über den good guy und den bad guy befinden und nicht darüber hinaus erzählt werden. Und das ist schade.

Man kommt auch in den Verdacht, Schöpfer der Serie, Scott Frank, möchte sich via Fem-Train etwas Ruhm sicherstellen indem starke Frauen (zumindest) präsentiert werden. Aber wie ich sage: Besser eine Repräsentation als keine. Stellt sich die Frage, ob es sich eine Serie oder ein Film heute noch leisten darf, Frauen wie vor 20 oder 30 Jahren zu inszenieren ohne Angst vor einem Shitstorm oder finanziellem Verlust haben zu müssen, und ob eine gezwungene Repräsentation nicht mehr Schaden anrichtet, als dass sie hilft. Meine Antwort wäre dazu: Auch eine kleine Repräsentation ändert Dinge. Manchmal, so scheint mir, wollen wir zuviel auf einmal.

3. Kritik: La Belle & Showdown

Auch beim Showdown sind es Frauen gegen Männer und sie sind gut. Sie treffen, sie schießen, sie beweisen Stärke und Solidarität untereinander als sich Alice dem Trupp anschließt. Und das ist wichtig! Ich ziehe eine kleine Szene mit Frauen-Solidarität jeder starken aber zickenden Frauen-Szene vor.

Kritik dahin gehend: Es sind Roy Goode und Lawman McNue (Bruder von Agnes) die den Tag retten und den bad Guy, Frank, in die Flucht schlagen (beziehungsweise dort die Story wieder aufgegriffen wird).

Fazit

Ich verstehe die Kritik, dass, dank des unglücklichen Trailers und Werbestrategie von einer feministischen Serie ausgegangen wird und man enttäuscht wurde, allerdings frage ich mich, was man erwartet? Ich finde nach wie vor, dass, in Anbetracht dessen in welcher Zeit und welchem Genre die Serie spielt, den Frauen eine gehörige Portion Macht verliehen wird. Moderne Feministinnen scheinen mir manchmal etwas überkritisch zu sein und tendieren dahin, die kleinen Erfolge zu übersehen.

Davon abgesehen, dass die Serie nicht als feministisch inszeniert wurde: Scott Frank dazu: “I wasn’t interested in making a giant feminist statement,” […] “I don’t know that I have the right to. What I really wanted to do was focus on characters who never get their stories told, women chief among them. My favorite theme is identity and people being stuck in lives they never planned on living. Most of the characters in this story fit that.”

Etwas schwach war vielleicht auch der Abgang von Frank Griffin. Roy Goode bleibt, trotz zahlreicher Rückblenden nicht sonderlich greifbar und somit unfassbar langweilig. Erneut, man gerät in Verdacht zu glauben, dass Produzenten und Showrunner sich am Fem-Train beteiligen und mitverdienen möchten und die Story um La Belle nur als mittelmäßiger Träger für die klassische Westerntragödie herhält.

Trotzdem mochte ich die Serie wie die Charaktere. Aber zugegeben: Eine vielleicht verpasste Chance.

Links

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Kritik und Rezension, TV-Shows!